Reisebericht: Pomologische Fach­exkursion nach Slowenien vom 7. bis 14. April 2024

30.04.2024

34 Teil­nehmer, über­wiegend aus Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und zwei Pomologinnen mit der weitesten Anreise aus Aachen, machten sich am Sonntag 5 Uhr in Weimar mit dem Busunter­nehmen Leipold aus Schleusingen auf den Weg nach Slowenien, dabei vier Mitglieder des Pomologen-Vereins e.V., das Streuobst­netzwerk Ostthüringen mit acht Personen, Landschafts­architekten und weitere Obstfreunde.

Katja Klancar-Schneider, in Weimar lebende slowenische Reise­leiterin, hatte die von Winfried Berghof-Osburg mit initiierte Reise bestens organisiert.

Nach 900 km Fahrt kamen wir gegen 18 Uhr in Portoroz an der slowenischen Mittel­meer­küste an.

Die lange Fahrt wurde genutzt zur Vorstellung der Teil­nehmenden, landes­kundlichen Erörterungen und ersten obst­bau­lichen Diskussionen.

 

Montag startete dann die Gruppe zum ökologischen Bauernhof Gramona Farm in Seca und erlebten den Schnitt des Oliven­hains mit pneumatischen Scheren und Sägen auf Hohl­krone, zur intensiven Besonnung der am Jahres­trieb schon sicht­baren Blüten­ansätze. Die Inhaberin setzt zur Parasiten­bekämpfung und Düngung auf eine aus Grün­schnitt hergestellte Jauche, die nach Begu­tachtung unter dem Mikroskop auf mikrobielle Aktivität gespritzt wird, Düsengröße nicht kleiner als 4 mm, damit die selbst erzeugten Mikro­organismen nicht zerstört werden. Der Baum­schnitt wird direkt zwischen den Baum­reihen gemulcht, danach bleibt der Gras- und Kräuter­bewuchs bewusst natur­belassen. Beste Qualität wird nur von unbeschädigten und sauberen Früchten erreicht. Neben Feigen­anbau von Khakis, deren gerade erfolgter Schnitt zu sehen war, kam es zu Verkostungen der autoch­thonen Oliven­öle, der für Istriens Wein­anbau typischen leckeren Weiß­wein­sorte Malvasi, von Oliven­aufstrichen und Kennen­lernen von kosmetischen Oliven­produkten. Anschließend wanderten wir eine Stunde über Forma Viva zu einem beeindruckenden vielfältigen Kakteen­garten. Von dort waren die historischen Salz­gärten zu sehen. Das aus dem Meer gewonnene sogenannte Blüten­salz, Solni Vet, hat eine hervor­ragende Qualität. Dann ging es mit dem Bus nach Piran, der schönsten Stadt an der slowenischen Riviera.

 

Am Dienstag traten wir den Ausflug in das für Obst- und Wein­anbau bekannte Vipavatal an, mit mildem Klima, da es offen zur Adria gelegen ist. Wir besuchten in Bilje das slowenische Forschungs­zentrum für Stein­obst mit Sorten­gärten für alte Äpfel- und Birnen­sorten und einer Baum­schule. Bilje ist eines der acht regionalen slowenischen Landwirt­schafts­institute. Das Zentrum ist spezialisiert auf die Selektion und Einführung neuer Steinobst­sorten, auf die Entwicklung von Bewässerungs­systemen und Schutz­netzen. Weiterhin ist es zuständig für die Beratung und Weiter­bildung der Land­wirte im Obst­bau. An Sorten gibt es hier, davon häufig einheimische, 132 Pfirsich­arten, 36 Pflaumen­sorten, 31 Aprikosen­sorten. 35 Sorten von Sauer­kirsche und Süß­kirschen, zwölf Birnen­arten und zwölf Khaki­sorten. Gearbeitet wird an Sorten­unterlagen für Kirschen, Pflaumen, Aprikosen und Khaki , es geht vor allem um virus­freie Sämlings­unterlagen, Gisela 6,13, 17 aus Italien und russische Unter­lagen werden auch verwendet. Mit Düngung und Baum­schnitt wird experimentiert. Aprikosen­unterlagen auf Stanley waren auf 50 cm Höhe angesetzt, damit der Boden­frost im Januar nicht die Aprikosen­rinde aufreißt. Die Aprikosen hatten schon Fruch­tansätze von 2 bis 3 cm Größe, auch die Süß­kirschen waren 1-2 cm groß, alles drei Wochen früher als normal. Auch hier ist die Sorge vor Spät­frösten vorhanden. Der Verkauf in der Baum­schule wurde eifrig genutzt, die Bäume und Sträucher über­standen gut die Fahrt auf den hinteren Busplätzen.

Nach einem köstlichen Mittag­essen auf dem Bauern­hof Kmetija Malovscevo in Sempas wurden leckere  autochthone Weiß­weine wie Klarnica, Pinela, Zelen und luft­getrocknete Wurst verköstigt.

Anschließend gab es eine Führung auf dem Hof Jelina im Obst­anbau­gebiet Goriska Brad an der Grenze zu Italien. Es werden 800 Süß­kirschen­bäume bewirt­schaftet, wir bekamen spannende Informationen zu Sorten, Schnitt, Ernte und Vermarktung. Wegen mangelnder Rentabilität baut der Erzeuger die Süß­kirschen zurück, setzt mehr auf Äpfel und Wein sowie Erdbeeren. In einem Groß­zelt hingen die tröpfchen­bewässerten Erdbeeren bei einem Boden-pH-Wert von 6 auf etwa andert­halb Metern Höhe in Substrat­kissen.

Durch enge Straßen mühte sich am späten Nach­mittag der Bus mit Bravour zum Aussichts­turm in Gonjace. Nachdem wir die Aussicht über Goriska brda, die Ebene von Friaul bis zur Adria genossen hatten, kehrten wir in den wunder­schönen Wein­garten von Marjo ein. Zur Wein­probe gab es die lokalen Weine Rebula, Sauviognaisse und Cabernet Sauvignon, sowie dazu den berühmten luft­getrockneten Karst­schinken und feine Wurst- und Käse­sorten. Da es so schön mit warmer Frühlings­luft und grüner Natur war, kamen wir erst spät­abends ins Hotel.

 

Mittwoch ging es nach dem Früh­stück in das im Landes­inneren gelegene historische Obst­anbau­gebiet zum Obst­bauer Pecar in Kocina, der die Cidremarke Malner Cider 2019 aufgebaut hat, die bis Holland vertrieben wird. Wir besichtigten die Plantagen mit tannin­haltigen englischen Apfel­sorten und teil­weisen Anbau von bulgarischen Quitten. Es gab eine Betriebs­führung und Verkostung verschiedener leckerer Produkte.

Während der Busfahrt besprachen wir die Thüringer Obst­sorten­empfehlungen, die Werner Schuricht für das Streu­obst­netz­werk Osthüringen erstellt hat, und abrufbar auf der Webseite sind.

Auch ging es um die Bedeutung der Wild­bienen, insbesondere um die rost­braune Mauer­biene.

Mittags waren wir auf dem Bauern­hof File, spezialisiert auf Slivovitz und Wacholder­schnaps und verkosteten die international ausge­zeichneten Produkte. Der Karst­wacholder­schnaps ist ein Destillat von fermentierten Beeren, also kein Gin, und hilfreich bei Magen­beschwerden. Die Beeren wurden probiert, sie sind süß, enthalten bis zu 70 % Zucker. Der Wild­busch trägt Früchte alle 3 Jahre. Das Wacholderöl sei wirksam bei Gicht; es sollte aber nicht einge­rieben werden, sondern lediglich auf das schmerzende Gelenk getropft werden.

Nach­mittags besuchten wir einen traditionellen Selbst­versorger – Biobauern­hof mit Milch­vieh, Schweinen, Getreide­anbau, Apfel- und Birnen­bäumen und Bienen. Ein angeschlossenes Museum, Sadjarski muzej Tepka, ist benannt nach der alten einheimischen Wein­birne Tepka, an einer ehe­maligen Birnen­allee steht noch ein prächtiges, 120 Jahre altes Exemplar.  Vom Wachs­apfel, einem Winter­apfel, konnten wir Edel­reiser mitnehmen.

 

Donnerstag fuhren wir vom Sport­hotel Ototec in das Kartäuser­kloster Pleterje in Sentjernej.

17 Mönche und acht Angestellte sind im Kloster tätig.

Seit 1993 gibt es eine Genbank, 130 historische Apfel­sorten und 60 Birnen stehen im Sorten­garten, fünf Bäume pro Sorte. Mit der Universität Marburg besteht eine Kooperation, unbekannte alte Sorten werden erhalten, dazu Studien von Eigen­schaften wie Knackigkeit, Farbe, Aroma, Schädlings­befall und weitere Kriterien.

Das Kloster hat 20 Hektar Wirtschafts­fläche, davon sechs Hektar Wein und Äpfel, Zwetschgen. Jeweils ein Hektar entfallen auf die Genbank, Ess­kastanien und Birnen. 2 Hektar Streuobst­wiese und 800 m Spalier­birnen sind an der Kloster­mauer vorhanden, außerdem gibt es noch Sauer­kirsche, Aprikose und Pfirsich, 42 Bienen­völker werden gehalten.

Der Intensiv­anbau von Äpfeln läuft auf M9, Spindeln, Frost­schutz­beregnung, und ergibt einen Ertrag von 20 Tonnen pro Hektar.

Nach einem Film über die Bewirt­schaftung der Anlagen und die historischen Sorten, kam es zur Verkostung der Weine, einschließlich verschiedener Mess­weine und dem Erwerb der Produkte, bis hin zu den in den Flaschen gezogenen Birnen­destillat. Die vom Kloster bewirt­schafteten Flächen sind öffentlich nicht zugänglich. Benach­bart ist ein Bauern­museum, wo auch eine Obst­darre zu besichtigen war.

Anschließend besuchten wir in der Region Bela Krajina den Ort Semic mit dem Lehr­garten von Dr. Derganc, geführt von Herrn Gacnik vom Obs­tbaum­verein. Bewirtet wurden wir mit Wein und Slivovitz. Der Lehr­garten mit Bienen­haus wird von verschiedenen Vereinen betreut, der Kräuter­teil vom Pilz­verein. Alle Bäume tragen Sorten­schilder: Mostbirne Vinska Mostnica, Walnuss Oreh, Pflaume Domaca Silvia in Morettini, Birne Tepka, Apfel Kutina und viele weitere.

Das Orts­museum wurde besucht,  mit Darstellung und Erörterung der Karst­land­schaft.

Ein lokaler Sekt­hersteller präsentierte uns seinen Sekt mit Verköstigung, begleitet von einem leckeren Festtags­kuchen, Belokranjska pogaca. Anschließend erfuhren wir bei einer Kirchen­führung, dass es keine Kirchen­steuer in Slowenien gibt.

Abends im Hotel stellten Susanna Mohr und Alexander Pilling, die von ihnen betriebene Kellerei Röttelmisch in Thüringen vor, mit Probe der exzellenten, ökologisch produzierten Weine von Quitte, Apfel und Pflaume. Der sorten­reine Apfel­wein kam von der Gold­renette von Blenheim. Weiterhin verkosteten wir feine Frucht­säfte von Pflaume und Kirsche (Schneiders späte Knorpel).

 

Freitag ging es vom Hotel Primus in Ptuj, der ältesten Stadt Sloweniens, zum Land­schafts­park Kozjansko zum Eco­bauernhof Omerzu.

Dort wird Walnuss­anbau betrieben, mit 150 Bäumen, darunter sechs französische Sorten, welche nach Boden­analysen gepflanzt wurden. Der Ertrag wird u.a. für Nussliköre verwendet. Wir erörterten den Baum­schnitt im Februar, wo es zu keinem Bluten der Bäume kommt. Die Bäume werden zur Hohl­krone erzogen, mit bis zu 6 m Höhe, und sind spät blühende Sorten in Südhang­lage. Probleme treten mit der Wallnuss­fliege und mit Hagel auf. Bis zu sieben Mal wird gelesen und zum Schluss maschinell geschüttelt. In guten Jahren bringt das 20 kg geschälte Nüsse pro Baum. Neben den Nüssen werden noch 370 Apfel­bäumen, 17 Bienen­völker und Beete in Hanglage mit 2 Lavendel­sorten bewirtschaftet.

Wir durften an einer Verköstigung der Produkte mit anschließendem Kauf teil­nehmen und noch herrlich frischen Strudel essen.

Nach­folgend fuhren wir in den Land­schafts­park mit Besuch von Ort und Burg und Museum Podsreda. Dort besichtigten wir die Baum­schule, welche nur mit eigenen Sämlings­unterlagen arbeitet und bewusst auf Bewässerung verzichtet. Trotzdem erzielt sie 90 % Erfolg und nimmt Okulations­veredlungen vor. Im Herbst gibt es ein großes Apfel­fest in Podsreda mit vielen lokalen Produkten und der Krönung eines Apfel­königs.

 

Am Samstag besuchten wir den Land­schaft­park Haloze-Cerinovo. Am Umstieg vom Reisebus in kleinere Fahr­zeuge gab es ein schmuckes Bauern­museum zu sehen und auch die Möglich­keit, ein Garten­geschäft mit dem Angebot vielfältiger Sämereien aufzusuchen.

Dann ging es in das „Life to Grasslands“-Projekt, ein 20 Hektar großer Natur­park mit instand­gesetzen und entbuschten Flächen. Sie pflanzten Hoch­stämme und beweiden die Fläche bei gleich­zeitigem Erhalt des Trocken­rasens, einschließlich Orchideen.

120 benach­barte Bauern­höfe waren in die Maß­nahme mit eingebunden. 2500 alte Bäume wurden gepflegt mit Unter­stützung der Kartause Pletarje.

Im Zuge dessen wurden 220 Sorten bestimmt. Die Maß­nahme begleitete wissen­schaftlich die Universität Maribor. In Maribor wurde übrigens nach­weislich die älteste Baum­schule Sloweniens 1880 von Herrmann Göthe gegründet. Die Hoch­schule bietet die Studien­richtung Obstbau an. In Maribor wächst die älteste Wein­rebe der Welt mit einem statt­lichen Alter von 400 Jahren.

Im Land­schafts­park verköstigten wir Honig­likör, -wein und verschiedene Honig­sorten sowie eine leckere Art Speck­kuchen.

Am Samstag besichtigten wir Jeruzalem, schauten die Kirche an, wanderten durch die Wein­berge zum Bauernhof Ratek zur Wein­verkostung mit köstlicher steirischen Jause. Der Hof hat eigene Tiere, schlachtet selber und baut die autochthone Sorte Simon an. Er hat gute Erfahrungen mit der PIWI-Sorte Muskaris und produziert Weiß­weine in hoher Qualität.

Nach­mittags erkundeten wir die alte Römer­stadt Ptuj und nahmen langsam Abschied vom gast­freundlichen Slowenien.

 

Sonntag startete 8:30 Uhr die Rück­fahrt über Graz und Passau. 19:30 Uhr waren wir wieder gesund und munter zurück in Weimar, verabschiedeten den Busfahrer und Katja mit Gesang.

Die Rück­fahrt wurde wieder für den fach­lichen Austausch genutzt, unter anderem über das Trocknen, Darren verschiedener Obst­arten. Quitten­brot, Wangenheims Früh­zwetschge, Gellerts Butter­birne, Gute Luise und Gravensteiner gab es als Reise­verpflegung zu kosten, denn eine Trocknungs­temperatur unter 42 Grad sichert gute Qualität.

Insgesamt gab es ein sehr positives Feedback über die Reise und großen Dank an die Reise­leitung und den qualifizierten Busfahrer, der sein ganzes Können in den engen, kurven­reichen Straßen der abgelegenen Regionen unter Beweis stellte. 

In zwei Jahren soll es wieder eine pomologische Fach­exkursion nach Slowenien geben, vom 04.10. bis 11.10.2026.

Dr. Winfried Berghof-Osburg, Weimar, den 22.04.2024